Wie meine Welt in den letzten 2 Jahren zusammenbrach

Ich lebte bis 1990 in der ehemaligen UdSSR und später, 1993, habe ich nach Deutschland emigriert. Ich habe Deutschland gewählt, weil ich mich deutsch gefühlt habe und wollte in einem Land leben, das mir aus meiner damaligen Sicht sozial genug, rechtlich klar und im Allgemeinen richtig erschien.

In meiner Kindheit habe ich mit Jungs Kriegsspiele gespielt; die anderen waren Faschisten und die „Guten“ waren wir.

Als ich Erfahrungen sammelte, habe ich gesehen, dass die Welt nicht so einfach aufgeteilt werden kann in „Uns“ und „Faschisten“. Man hat uns in der SU andere Teufel auf die Wand gemalt. Das waren meistens die USA.

In der damaligen SU hat sowieso niemand an die Propaganda vom Kreml geglaubt; wir wussten, dass alles was Iswestja, Pravda, Trud und andere Zwangszeitungen schrieben und die Fernsehprogramme berichtet haben, falsch war. Wir haben heimlich gelacht und Radio Liberty gehört.

Dann gab es etwa10 Jahre der Dunkelheit in Russland mit Jelzin. Ich kann diese Jahre nur so bezeichnen, weil in Russland und in allen Republiken der ehemaligen SU ein Durcheinander, auf Russisch „Bardak“ genannt, herrschte. Es sind einige unstabile Regierungen entstanden, es gab farbige Revolten etc.

Wie auch immer habe ich meine Existenz in Deutschland aufgebaut, aber ich war immer, bis zum Ende des Jahres 2013 ein Russen-Gegner und Russen-Kritiker. Ich habe mehrere Artikel gegen russische Großmacht-Ansprüche geschrieben.

Leider oder Gott sei Dank haben sich meine Ansichten angesichts der Ukraine –Krise geändert.

Ich habe immer, oder besser gesagt bis 2013, an einige Dogmen geglaubt:

  1. Der Westen ist gut.
  2. Der Westen will keinen Krieg und wenn der Westen kämpft, kämpft er nur für Gerechtigkeit.
  3. Der Westen ist demokratisch: Das Volk regiert!
  4. Die westlichen Staaten sind Rechtsstaaten.

Jetzt will ich kurz erzählen, warum ich meine Meinung geändert habe.

Der Westen ist gut! Aber, der Westen ist gut für Reichen. Je reicher man ist, desto besser fühlt man sich im Westen. Was ist mit anderen Menschen? Die Zahl der einigermaßen wohlhabenden Menschen wird kleiner. Die Mittelschicht schwindet. 1% der Bevölkerung verfügt über ca. 40% des Eigentums und des Geldes. Absolut ungerecht. Zu einer Gesellschaft gehören Alle. Wenn nur die Reichen das Geld und den Besitz haben und für sich die Reichtümer erwerben, die sie gar nicht nutzen können und andererseits 20% der Menschen an der Armutsgrenze leben, nenne ich das eine falsche Gesellschaftsordnung.

Der Westen ist gut für Reiche. Für den Mittelstand ist er erträglich und für 20% der Menschen schwer zu ertragen.

Der Westen will keinen Krieg. Er darf nur einen gerechten Krieg führen.

Die USA haben sich in Afghanistan, in Irak, in Jugoslawien, in Libyen und in vielen anderen Fällen eingemischt, mit oder ohne NATO. Vorwand: Den Diktator stürzen und eine Demokratie etablieren. Das letzte Land, wo die USA „Demokratie“ etabliert haben, war Südkorea. In 1953. Seitdem sind das Kriege, die nur Chaos, Zerstörung und Unheil bringen. Wo haben die USA eine Demokratie etabliert? Nirgendwo! Das sind nicht mal Eroberungskriege, sondern Chaoskriege! Ein Freund von mir, der 5 Jahre lang als Dolmetscher der deutschen Truppen in Afghanistan gearbeitet hat, sagte mir: Frage bitte nicht, welches Land Afghanistan angreift, frage lieber welche Truppen welchem Konzern gehören. Hier regiert auch der Profit. Jetzt wollen diese Fressen auch in der Ukraine „Demokratie“ etablieren! Wer glaubt denen?

Demokratie im Westen. In den USA gibt es schon längst keine Demokratie mehr. Wenn man irgendwelchen Wahrheitssucher erlaubt den einen oder anderen Gerichtsprozess zu gewinnen und einen Artikel gegen die Mächtigen zu schreiben, bedeutet das nicht, dass das Land wirklich vom Volkswillen regiert wird. Dort regiert das Kapital und wie Warren Edward Buffett mal sinngemäß gesagt hat: Das Kapital wird den Kampf gewinnen. Es gab einen alten sowjetischen Witz: Ein Amerikaner fragt einen Russen, warum die sowjetischen Geschäfte leer sind. Der Russe entgegnet: Na, dafür werden bei euch die Neger totgeschlagen. Damals klang das wie ein Witz. Heute werden die Farbigen tagtäglich einfach so von der Polizei getötet. Die Geschäfte sind in Russland voll, aber in den USA sterben täglich Menschen, die nichts verbrochen haben; einfach so, weil sie von dunklerer Haut sind.

In Deutschland ist das etwas anders. Hier haben wir die gleichen Machtverhältnisse, aber im kleinen Maßstab; unsere Regierung kann nur das machen, was das Kapital und die USA erlauben und ab und zu mal auch „Regierung des Volkes“ spielen. Wir werden in den Strudel der amerikanischen Politik eingesaugt und unsere Politikerinnen und Politiker, die an der NATO-Brust geschlotzt haben und diese martialische Giftmilch einsogen, sind gezwungen so zu agieren, wie es den USA gefällt. Die NSA/BND Geschichten kennen wir alle. Auch Krieg ist mittlerweile möglich (nach Pfarrer Gauk). Verteidigungskrieg in Afghanistan? Unterstützung der Faschisten in der Ukraine? Waffenlieferungen an die Länder, die definitiv diese Waffen gegen eigenes Volk nutzen?

Verteidigung? Dass ich nicht lache!

Das Volk regiert. Die Demokratie, wenn es sie hierzulande mal gegeben hat, ist längst verschollen. Wir wählen eine Regierung, die das macht, was die meisten Menschen nicht wollen. In der SU gab es ein Prinzip: Der demokratische Zentralismus. Schlicht hieß das wählen und dann den Gewählten gehorchen. Man hat dort nicht mal richtig wählen können! Und das war Mist! Jetzt habe ich ein Déjà-vu: Wir wählen und die Regierung macht, was sie will! Erst 4 Jahre lang und wenn sie nichts macht, noch länger.

Mit Rechtsstaatlichkeit ist es noch schlimmer: In unserem Land kannst du Recht haben, aber zur Geltung kommt dieses Recht selten oder verspätet. Wenn die Rechtstreite 5-6 Jahre dauern, verliert die Rechtsstaatlichkeit ihren Sinn. Was nutzt mir ein Rechtsbescheid nach 5 Jahren, wenn ich wegen des Rechtsstreits pleite bin. Andererseits, die, die das viele Geld haben, können richtige Juristen und Anwälte anheuern und die Behörden schmieren, können immer gewinnen. Das westliche Rechtssystem ist nicht für Arme gedacht, sondern für Reiche.

Das waren die Punkte, wo ich meinen Glauben an den Westen verloren habe.

Es gibt noch etwas, was ich über den Menschen sagen möchte.

Früher habe ich immer gedacht, dass der Mensch sich nach Wahrheit sehnt. Wenn er oder sie etwas falsch macht, liegt das an mangelnder Information. Wenn man diese Menschen richtig informiert, dann verhalten sie sich auch adäquat und richtig, als Menschen.

Diese Überzeugung ist mittlerweile auch weg; wir werden bis zum Ende unserer Tage Frau Merkel als Kanzlerin oder eine Gleiche/ einen Gleichen wählen. Es gibt keine Alternative. Sie kann noch viele Fehler und Skandale ertragen und an der Macht bleiben. Die Masse schätzt die Stabilität, auch wenn diese Stabilität im Sumpf gewährleistet ist.

Leider habe ich keine Lösungen für diese Probleme.

Was mich betrifft, bin ich von einem Proamerikaner zu einem Prorussen mutiert.

Der Westen lügt. Die Russen lügen auch, aber nicht so drastisch wie der Westen.

Der Westen spielt mit dem Krieg. Die Russen bereiten sich vor.

Der Westen hat alle Länder, in die er einmarschiert ist, zur Katastrophe gebracht. Die Russen haben nur die Krim eingeheimst und die Bewohner wollten das. Der Westen dagegen hat fast die halbe Welt zerstört.

Ich weiß nicht wohin das führt.

Levan Gvelesiani

In einem fröhlichen Maitag 2015

Mit der Hoffnung, dass ich mein Glauben wieder zurück gewinne.

6 Gedanken zu „Wie meine Welt in den letzten 2 Jahren zusammenbrach

  1. Danke, Levan, für die ehrliche Erklärung. Wir – in der DDR – waren am Westen näher dran. Wir hatten eine Grenze zur BRD (und zwar keine „innerdeutsche“, wie heute behauptet wird) und wir wußten von Staatsbürgerunterricht, was wir vom Westen zu halten haben. Ich jedenfalls habe die BRD nicht herbeigewünscht. Wir haben den Kapitalismus gehaßt. Die Überraschung war nach 1990 nur für diejenigen besonders schlimm, die sich vom kleinbürgerlichen Besitztumsdenken haben leiten lassen. Und das waren nicht wenige.

    Was wir (die meisten jedenfalls) nicht wußten, waren die Gründe für die Abweichungen vom Sozialismus (vor allem in der UdSSR). Erst viel später – nach 1990 – habe ich begonnen, Stalin zu lesen, habe Gossweiler kennengelernt und verstanden, welches Verbrechen 1953 mit der Ermordung Stalins geschah, und daß mit Chruschtschow ein Antikommunist in die Führungsspitze der KPdSU gelangt war. (Im Westen waren die Kommunisten da weiter – sie lasen Stalin, Mao und Hoxha…)

    Gorbatschow war dann nur noch der Sargnagel, eine „Zwiebel“ (wie Gossweiler es beschrieb). Die Katastrophe in Rußland kann ich nur bestäötigen, denn ich kannte die Sowjetuinion sehr gut.

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    • Ich habe in Berlin/Karlshorst studiert und kenne die DDR Thematik ziemlich gut.
      Dann habe ich die Gorbatschows Zeiten in der SU miterlebt.
      Dann bin ich in der BRD gelandet und jetzt bin ich richtig enttäuscht.

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  2. Nachtrag: …vom kleinbürgerlichen Besitztumsdenken haben leiten lassen … und dann feststellen mußten, daß sie nicht dazugehörten zu den Privilegierten, den Besitzenden, den Gewinnern der „Einheit“…

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  3. Du bist nicht der einzige „Mutierte“. Ich war auch nie Fan der Russen aber was Putin macht hat wenigstens Hand und Fuss, auch wenn im Einzelnen noch viel im Argen liegt. Es geht voran, langsam und kriechend. Doch der Westen baut seine ganze Welt auf Lügen auf. Dessen Demokratie hat den Bock zum Gärtner gemacht. Tatsächlich war es immer so, nur haben wir es nicht gesehen, weil wir ja nur die schöne Scheinwelt per Fernsehn mitbekommen haben. Von Armut wird da nur im Zusammenhang mit Ostblock, DDR, Russland und den anderen Ländern der schwarzen Liste geredet. Aktuell wird ja Maduro in Venezuela sanktioniert. Gegen den werden wieder alle Register gezogen. Und wenn ich mir anschaue was in Jugoslawien, in Litauen, Polen und Tschechien los ist, dann wird einem erst klar wieviel Menschen die damalige Entscheidung der SU wirklich in den Abgrund gerissen hat und wie anders es hätte laufen können.
    Das die USA untergeht, sehe ich leider noch nicht und selbst wenn, würde sich vermutlich die EU (unter Deutschlands Führung?) nach vorn drängeln und alles bleibt wie gehabt. Die einzige Möglichkeit diese Macht zu brechen ist, wenn die Russen mit den Chinesen und anderen Willigen Partnern wirklich eine eigene UNO samt internat. Gerichtshof, UNO-Armee sowie Rettungsplan Erde und Weltmedien mit eigenem Internet gründen. In dem Fall könnten sich Regionen unter diesem Schutz von ihren Ländern lossagen und deren Macht würde Stück für Stück bröckeln. Aber dazu bedarf es einer strikten Konsequenz in Sachen Ziele, denn Ausreden verlängern nur den jetzigen Niedergang. Und das betrifft ja nicht nur die Demokratie sondern auch die Umwelt die zunehmend zerstört wird, die Kriegslust die ja durchaus bewusst über NGO´s und Medien gefördert wird und auch die Überbevölkerung ist ein Problem das gelöst werden muss und wenn man nicht die Menschen begrenzen muss, dann muss man eben die Erde auf den Mars ausdehnen und dort eine Atmosphäre schaffen damit man ihn besiedeln kann, bevor die Situation eskaliert.

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  4. PS: Eine Maschine ist eine Art „Verlängerung“ des menschlichen Körpers, welche der Mensch aus „Ton und Asche“
    mit Hilfe seines schöpferischen Geistes gebaut hat. Die
    Maschinen entspringen den menschlichen Gedanken und sind
    eigentlich ein Teil des menschlichen GroßKörpers
    geworden. Viele Phantasten machen aus der Maschine etwas
    bedrohliches für heute und für die Zukunft.
    Das ist richtig, es geht aber darum, zu wesen „Großkörper die Maschine gehört, du dem eines Großindustriellen der ohnehin Gesetze mit Hilfe seiner Angestellten aushebelt und sich von ihnen Maschinen und Roboter erbauen lässt, die das noch weiter perfektionieren oder ob es um Maschienen und Roboter geht die der Menschheit und damit jedem Einzelnen zur Verfügung stehen und damit keine „Privatarmee“ der Kapitalisten und ihrer Eliten sind, denn das mündet zwangsläufig in die totale Diktatur des Großkapitals.

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